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Warum Langenthals Zentrum die Verkehrsberuhigung braucht

Kommentar von Patrick Jordi

 

Mit dem Lastwagenfahrverbot, das seit Ende 2023 gilt, konnte eine erste Hürde zur Verkehrsberuhigung der Langenthaler Innenstadt genommen werden.
Mit dem Lastwagenfahrverbot, das seit Ende 2023 gilt, konnte eine erste Hürde zur Verkehrsberuhigung der Langenthaler Innenstadt genommen werden.

 

Einige Detaillisten der Stadtvereinigung befürchten offenbar, die Innenstadt von Langenthal werde künftig zur verkehrsfreien Zone erklärt. Eine entsprechende Berichterstattung in der Berner Zeitung (Langenthaler Tagblatt) vom 9. Januar 2024 hat diesen Trugschluss zuletzt noch zementiert, indem arg zugespitzte Formulierungen verwendet wurden (Zitate: «Gewerbe sorgt sich wegen autofreier Innenstadt.» / «Deshalb will der Gemeinderat die Innenstadt autofrei gestalten.»).

 

Müssen wir hier wirklich mitansehen, wie in Langenthal nach dem Kindergärten-Debakel bereits die nächste Angst-Kampagne lanciert wird? Schon klar: Der lokale Detailhandel hat derzeit mit vielen Herausforderungen zu kämpfen – das kann Ängste auslösen. Ängste, die auch dem Gemeinderat bewusst sind (vgl. mein UE-Interview vom 16. Januar 2024). Es ist aber letztlich niemandem geholfen, wenn aufgrund dieser Unsicherheiten nun Halb- bzw. Unwahrheiten verbreitet werden. Überspitzte Pressemeldungen sind in diesem Zusammenhang leider ebenso wenig hilfreich.

 

Fakt ist: Langenthals Stadtkern soll nicht komplett autofrei werden, die Innenstadt soll lediglich vom Transitverkehr befreit werden. Anstatt 10‘000 Vehikel pro Tag werden 3000 Fahrzeuge als richtig erachtet. Geplant ist auf der Achse zwischen Manor und Coop-Kreisel eine Begegnungszone mit Tempo 20. Das ist nicht komplett verkehrsfrei, sondern lediglich verkehrsberuhigt – was irgendwie auch Sinn macht für ein Stadtzentrum, für welches man als gemeinsame Vision vor noch nicht allzu langer Zeit einen einladenden städtischen Bereich definiert hat, der wie ein offenes Einkaufszentrum funktionieren soll und der zum Flanieren und Verweilen einlädt.

 

Automobilisten sollen also auch in Zukunft die Möglichkeit haben, ins Stadtzentrum hinein- und hinausfahren zu können. Möglich werden im Ortskern nach wie vor Busse sowie der direkte Ziel- und Quellverkehr, beispielsweise zum Parkplatzangebot, sein. Damit sind Zu- und Wegbringende gemeint, die in der Innenstadt eine Besorgung machen oder jemanden kurz abholen oder abladen möchten. Auch die Zu- und Wegfahrt für Anlieferungen und Dienstleistende soll nach wie vor gewährleistet sein. «Es ist also falsch zu behaupten, die Innenstadt würde künftig komplett zur verkehrsfreien Zone erklärt», sagt Stadtpräsident Reto Müller im UE-Interview.

 

Das A und O für einen funktionierenden Detailhandel wird nach wie vor das zentrumsnahe Parkieren sein. Langenthal verfügt allerdings schon heute über rund 1000 absolut zentrumsnahe Parkplätze, die im Schnitt nur zu etwa 70 Prozent belegt sind. Was fehlt, ist hingegen ein schlaues, modernes Parkleitsystem. Ein solches soll allerdings installiert werden, BEVOR im Stadtzentrum der Durchgangsverkehr eingeschränkt bzw. ein neues Temporegime eingeführt wird. Dies bekräftigt auch der Gemeinderat.

 

Fazit: Aus meiner Sicht wird die Suppe längst nicht so heiss gegessen, wie sie derzeit gekocht wird. Will man die Innenstadt von den negativen Auswirkungen des Durchgangsverkehrs befreien, muss man dafür auch etwas tun. Das braucht ein bisschen Mut und guten Willen – von allen Beteiligten.

 

Darum ist es sicherlich sinnvoll, treffen sich die Stadtvereinigung und der Gemeinderat am 25. Januar 2024 zum gemeinsamen Austausch. Dann sind wieder mal alle auf dem gleichen Wissensstand – und eventuelle Ängste und Unklarheiten können so hoffentlich aus der Welt geschafft werden, bevor in Langenthal wieder das «Schreckgespenst» um sich greift, das alles Beherzte, Zeitgemässe und Fortschrittliche bereits im Keim erstickt.

 


 

Dieser Kommentar ergänzt meine Berichterstattung im Unter-Emmentaler vom 16. Januar 2024 – ein Interview mit Stadtpräsident Reto Müller (SP):

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Interview Unter-Emmentaler vom 16.01.2024
UE_16_01_seite07.pdf
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