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Mehr Mitsprache dem Volk

Weniger Unterschriften und längere Sammelfristen für Mitbestimmungs-Werkzeuge auf Gemeindeebene – alles schön und gut, möchte man meinen. Doch was können Langenthalerinnen und Langenthaler mit Initiativen, Referenden und Volksvorschlägen überhaupt erreichen? Und ist der Hürdenabbau wirklich schon so gut wie beschlossen? Ein Blick hinter die Kulissen dieser geplanten Änderung der Stadtverfassung.

 

Künftig sollen in Langenthal für eine Initiative nur noch 500 anstatt 900 Unterschriften nötig sein – die politische Einflussnahme wird dadurch einfacher.
Künftig sollen in Langenthal für eine Initiative nur noch 500 anstatt 900 Unterschriften nötig sein – die politische Einflussnahme wird dadurch einfacher.

 

Die Hürden für kommunale Initiativen und Referenden sollen sinken. Wer in Langenthal eine Initiative einreichen will, soll künftig nur noch 500 statt 900 Unterschriften sammeln müssen. Für das Zustandekommen eines fakultativen Referendums sowie eines Volksvorschlags sollen neu 250 Unterschriften ausreichen (bisher 400 Unterschriften) und die Sammelfrist soll von 30 auf 40 Tage verlängert werden.

Alles wunderbar also – die Mitsprache der Leute soll durch die Umsetzung dieses Vorschlags gefördert werden. Man rechnet damit, dass die Volksrechte attraktiver und die Gemeindepolitik zugänglicher gemacht werden können. Politische Frustrationen bei der Bevölkerung könnten dadurch eher verhindert werden, wird sogar begründet.

Doch worauf genau beruht die politische Mitsprache vor diesem Hintergrund? Was soll in Langenthal mit einer Initiative überhaupt bezweckt werden? Und was bringt das Ergreifen eines Referendums oder das Einreichen eines Volksvorschlags? Nicht jeder und jede dürfte das Einmaleins dieser Instrumente im Detail kennen. Hier deshalb ein Erklärungsversuch auf Basis der aktuell gültigen Stadtverfassung von Langenthal.

 

Die kommunale Initiative

Stimmberechtigte können mit einer Initiative den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen verlangen, die in der Zuständigkeit der Stimmberechtigten oder des Stadtrates liegen. Das Begehren muss von mindestens 900 Stimmberechtigten unterzeichnet sein (neu wären es dann 500 Stimmberechtigte).

Die Sammelfrist einer Initiative beträgt sechs Monate (unverändert). Sie ist entweder als einfache Anregung oder als ausgearbeiteter Entwurf einzureichen. Gültig ist sie, wenn sie keinen eidgenössischen oder kantonalen Vorschriften widerspricht und keine offensichtlich undurchführbare Vorschläge beinhaltet. Ausserdem darf die Initiative nicht mehr als einen Gegenstand umfassen. Wenngleich die Initiative doch einiges an Aufwand bedeutet, so ist sie dennoch ein ziemlich mächtiges Instrument der Einflussnahme.

 

Fakultatives Referendum

Mindestens 400 Stimmberechtigte (neu 250 Stimmberechtigte) können durch Unterschrift verlangen, dass die Beschlüsse des Stadtrates in Frage gestellt und somit der Gemeindeabstimmung unterbreitet werden müssen. Das Referendum ist zustande gekommen, wenn die notwendige Anzahl Unterschriften bei der Stadtverwaltung eingereicht wird, und zwar innert 30 Tagen (neu 40 Tage) seit der Veröffentlichung des Stadtratsbeschlusses im amtlichen Anzeiger. Der Gemeinderat stellt das Zustandekommen des Referendums fest. Ab diesem Zeitpunkt ist die Abstimmung innerhalb von zwölf Monaten durchzuführen, gestützt auf eine vom Stadtrat verabschiedete Abstimmungsbotschaft.

 

Der Volksvorschlag

Innert 30 Tagen seit der Veröffentlichung eines Beschlusses des Stadtrates im amtlichen Anzeiger, der der fakultativen Gemeindeabstimmung unterliegt, können 400 (neu 250) der in Gemeindeangelegenheiten Stimmberechtigten der Stadtverwaltung einen Volksvorschlag (Gegenvorschlag von Stimmberechtigten) als ausgearbeiteten Entwurf einreichen. Das Verfahren zur Einreichung eines Volksvorschlags richtet sich nach den Vorschriften des fakultativen Referendums. Der Gemeinderat stellt das Zustandekommen des Volksvorschlages fest und prüft dessen Gültigkeit analog der Gültigkeit von Initiativen. Über einen Volksvorschlag wird abgestimmt, und zwar gemäss dem Verfahren eines Gegenvorschlags zu einer Initiative und gestützt auf eine vom Stadtrat verabschiedete Abstimmungsbotschaft. Der Stadtrat kann den Stimmberechtigten den Volksvorschlag zur Annahme oder Ablehnung empfehlen.

 

Die Petition

Es geht auch einfacher: Jede Person hat das Recht, mit einer Petition Bitten, Anregungen und Beschwerden an den Stadtrat, den Gemeinderat und die Kommissionen zu richten und dafür Unterschriften zu sammeln, ohne dadurch jedoch Nachteile erleiden zu müssen. Petitionen müssen vom zuständigen Organ innerhalb von zwölf Monaten geprüft und beantwortet werden. Bezüglich der Unterschriften ist keine Mindestanzahl nötig. Die Petition lockt mit ihrer Einfachheit. Ein Nachteil ist, dass sie keine zwingende Wirkung hat. Somit kann das vorgebrachte Anliegen nach erfolgter Stellungnahme recht schnell wieder versanden. Die Petition ist nicht Teil der aktuellen Vernehmlassung.

 

Stellung nehmen bis 31. Mai

Dass die Hürden für Initiativen und Referenden gesenkt werden sollen, hat mit einer überparteilichen Motion zu tun, die im Stadtrat im Januar 2023 eingereicht worden war. Der Gemeinderat hat sich mit der Motion auseinandergesetzt und einen Umsetzungsvorschlag verabschiedet. Die Vorlage betrifft direkt die politischen Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger von Langenthal. Die Bevölkerung ist deshalb eingeladen, an einer öffentlichen Vernehmlassung teilzunehmen. Diese dauert noch bis am 31. Mai 2024. Bürgerinnen und Bürger können unter anderem Stellung nehmen über die Plattform mitwirken.langenthal.ch.

Im Anschluss an die öffentliche Vernehmlassung wird das ordentliche Gesetzgebungsverfahren fortgeführt. Der Gemeinderat legt dem Stadtrat die Vorlage zwecks Verabschiedung für eine Volksabstimmung vor. Weiter ist eine Vorprüfung sowie Genehmigung des Kantons erforderlich. Definitiv beschlossen wird die geplante Änderung der Stadtverfassung von den Stimmberechtigten an der Urne.

 

Eine Teilrevision der Stadtverfassung ist in diesem Zusammenhang unumgänglich – letztlich werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne entscheiden müssen.
Eine Teilrevision der Stadtverfassung ist in diesem Zusammenhang unumgänglich – letztlich werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger an der Urne entscheiden müssen.

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