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Sein Leben hätte anders verlaufen können

 

Er stand 34 Jahre lang an der Spitze der Geiser Agro.com, half mit, die Kadi aus den Schulden zu ziehen, und beim Hotel Bären war er während mehr als zwei Jahrzehnten als VR-Präsident am Drücker: Peter R. Geiser war für Langenthal zweifelsfrei eine prägende Figur. Wie sein Vater Peter Geiser-Egger auch schon. Heute ist es um den 78-Jährigen ruhiger geworden. Ein Porträt über einen Ex-Geschäftsmann, der nicht nur über eine abgeklärte unternehmerische Seite verfügt, sondern auch über eine sehr feinfühlige.

 

Mit gerade mal 25-jährig musste Peter R. Geiser nach dem Unfalltod seines Bruders die Geschicke der damaligen Ernst Geiser Landesprodukte AG übernehmen.
Mit gerade mal 25-jährig musste Peter R. Geiser nach dem Unfalltod seines Bruders die Geschicke der damaligen Ernst Geiser Landesprodukte AG übernehmen.

 

Dieser Artikel erschien am 29. September 2023 in der Printausgabe des Unter-Emmentaler sowie online hier.

 

Von Patrick Jordi

 

Ein Besuch bei Peter R. (für Robert) Geiser fühlt sich ein bisschen so an, als würde man in eine Parallelwelt eintreten. Ein Eintauchen in eine stilvollere, ausgesuchtere Welt.

Ein freundliches «Hallo» durch die Gegensprechanlage, schon schnappt ein graues Tor auf. Dahinter erscheint ein mit Beton, Kunst und Kieselsteinen bespielter, moderner Innenhof. Wer ab hier die wenigen Meter bis zur Haustür zurücklegen will, wählt seine Schritte mit Bedacht: Man setzt seine Füsse auf rechteckige Gartenplatten auf, die aus dem Kieselsteinbeet ragen und dem Besuchenden den Weg zum «richtigen» Hauseingang weisen. Dort steht, hinter geöffneter Tür, bereits Peter R. Geiser und streckt einem mit munterer Miene die Hand entgegen.

 

Sein Zuhause im Langenthaler Allmen-Quartier ist kaum sichtbar. Die vermeintliche Parallelwelt liegt an einem Seitensträsschen, gut eingebettet zwischen Melchnaustrasse und Allmengasse. Versetzt wachsende Bäume und Büsche, ein Maschendrahtzaun sowie eine glatte, breite Garagenfront schirmen seine Liegenschaft, an die eine parkähnliche Gartenanlage anschliesst, auf sehr durchdachte Weise ab. Das Haus ist ein architektonischer Hingucker: Ein flacher, lichtdurchfluteter, pavillonähnlicher Gebäudekomplex, der aus mehreren verschiedengrossen Kuben besteht. «The Pavilion» nennt Peter R. Geiser sein Haus passenderweise.

 

Einer, der nicht auffallen möchte

 

Das Anwesen widerspiegelt, was Peter R. Geiser verkörpert: Diskretion und Anmut. Wer ihm beim Spazieren mit dem Hund – oder ausnahmsweise auch mal in der Stadt – begegnet, sieht einen unprätentiösen, ruhigen, adrett gekleideten älteren Herrn. Einer, der nicht unbedingt auffallen möchte. So wie früher eben, als er noch ein aktiver Unternehmer war und die Geschicke diverser Firmen und Organisationen gleichzeitig verantwortete.

Damals, in diesen verschiedenen Funktionen, war Peter R. Geiser in Langenthal und weit darüber hinaus eine gefragte Figur. Doch niemals wären seine Zeitgenossen während dieser durch ihn stark mitgeprägten Jahre auch nur ansatzweise auf die Idee gekommen, den Spross und Erben des angesehenen Peter Geiser-Egger als einen Hansdampf in allen Gassen anzusehen. Dafür war er – und ist es heute noch – viel zu bescheiden und reflektiert. Einige, die ihn nur oberflächlich kennen, würden den heute 78-Jährigen womöglich sogar als leicht in sich gekehrt oder als zurückgezogenen Menschen bezeichnen.

 

Biografie erscheint im November

 

Aus ihm herauszukitzeln, was ihn umtreibt – ja, welche Träume und Projekte Peter R. Geiser heute verfolgt –, ist vor diesem Hintergrund gar nicht mal so einfach. Es erstaunt auch nicht, dass ein wichtiges Projekt, mit dem er sich derzeit intensiv auseinandersetzt, gar nicht direkt etwas mit ihm selbst zu tun hat, sondern vielmehr mit seinem früh verstorbenen Vater: Noch diesen November wird im Rahmen der Langenthaler Heimatblätter eine Biografie über Peter Geiser-Egger erscheinen, den lokalprominenten Unternehmer, Politiker und Familienvater. Ein Buch, das von der Forschungsstiftung Langenthal herausgegeben und vom Herausgeber Verlag verlegt wird.

 

«Einige historisch interessierte Langenthalerinnen und Langenthaler sowie auch ich selbst waren der Ansicht, es könnte für die breite Öffentlichkeit durchaus interessant sein, mehr über das kurze, aber sehr bewegte Leben meines Vaters zu erfahren», erklärt Peter R. Geiser die Gründe, die ihn dazu bewogen haben, diese Biografie zu initiieren und zu unterstützen, sowohl ideell als auch finanziell. «Wobei die Forschungsstiftung den grössten Teil selbst stemmt. Meinerseits finanziere ich einfach den Teil, der im Fall der Fälle über das vereinbarte Budget hinausgeht», will der ehemalige Unternehmer präzisiert wissen.

 

Viel zu tun für das Buch

 

Dieses Projekt nahm Peter R. Geiser in den letzten Wochen und Monaten einigermassen stark in Anspruch. Er musste historische Dokumente seines Vaters ausgraben und verfügbar machen, Termine koordinieren, Texte gegenlesen – was halt so ansteht, wenn man eine Biografie über eine einst sehr bedeutende, einflussreiche Person realisieren will.

Der Buchrückentext kann bereits heute verraten werden. Er lautet: «Der Langenthaler Peter Geiser-Egger (1902–1955) war nicht nur ein ausgesprochen arbeitsamer und weitsichtiger Geschäftsmann, sondern auch eine Person, die in besonderem Masse dazu befähigt war, sich in die Gefühle und Gedanken anderer Personen hineinzuversetzen. Dieser Hang zur Empathie sowie generell eine hohe menschliche Kompetenz werden ihm nach seinem frühen Tod auch in Nachrufen attestiert, so etwa von seinen engen Freunden Ernst Morgenthaler (Maler) und Bundesrat Ernst Nobs.»

Klingelt da etwas? Gewisse Charaktereigenschaften, die in diesem Text erwähnt werden, können auch Peter R. Geiser nicht abgesprochen werden. Er selbst, der eher Bescheidene, würde einen direkten Vergleich mit seinem Vater zwar unter keinen Umständen gelten lassen. In unternehmerischer Hinsicht aber – das schleckt keine Geiss weg – kann der «Junior» nicht bestreiten, dass er in des «Seniors» Fussstapfen getreten ist. 

Ob freiwillig oder nicht, ist eine andere Frage …

 

Brüder starben im gleichen Jahr

 

Tatsache ist nämlich, dass Peter R. Geiser die Geschicke der damaligen Ernst Geiser Landesprodukte AG (später Geiser Agro.com) völlig unverhofft übernehmen musste. Das war 1970. Vater Peter Geiser-Egger war bereits fünfzehn Jahre zuvor, im Alter von bloss 53 Jahren, aus dem Leben geschieden. In den viel zu frühen Tod folgten ihm 1970 zwei Söhne des Ehepaars Geiser-Egger, Christoph (1936 bis 1970) und Hector (1937 bis 1970) – die beiden älteren Brüder von Peter (1945). Christoph schied 34-jährig freiwillig aus dem Leben. Hector trat nach dem Tod des Vaters in die Unternehmung ein, verunglückte aber bei einem Autounfall im gleichen Jahr von Christophs Tod. Eine Tragödie sondergleichen.

Somit waren von der einst fünfköpfigen Familie nur noch Mutter Suzanne sowie ihr jüngster Sohn übrig. Und dieser – es waren halt noch etwas andere Zeiten – konnte gar nicht anders: Er sah sich gezwungen, das Ruder des weitverzweigten Familienunternehmens zu übernehmen. Quasi über Nacht wurde Peter R. Geiser so zum Geschäftsführer einer ausgewachsenen Handelsfirma, und das 25-jährig.

 

Aus Hoteliers-Karriere wurde nichts

 

«Eigentlich hätte ich damals noch ganz andere Pläne gehabt, mein Berufswunsch war es ursprünglich gewesen, in der Hotellerie Karriere zu machen», erinnert er sich. «Doch nach dem tödlichen Autounfall meines Bruders hatte ich keine andere Wahl mehr – ich musste definitiv in die Firma einsteigen und Verantwortung übernehmen.»

Immerhin: Peter R. Geiser hatte damals bereits einige Monate hinter sich, während derer er an der Seite seines Bruders Hector im Familienbetrieb gearbeitet hatte. Davor hatte er einen anderthalbjährigen Auslandaufenthalt in den USA absolviert, dem eine Laufbahn als Transportoffizier bei der Schweizer Armee vorausgegangen war. Vor dem Militärdienst hatte Peter R. Geiser die Handelsschule sowie einen knapp anderthalbjährigen Einsatz bei einer Speditionsfirma in Basel absolviert.

Komplett bei null fing er also als Geschäftsführer der Ernst Geiser Landesprodukte AG nicht an. Trotzdem: «Es war für mich eine unglaublich grosse, teils sogar beängstigende Herausforderung», erinnert sich der 78-Jährige an die Momente seiner urplötzlichen Geschäftsübernahme.

 

Ohne ihn hätte die Kadi den Stecker ziehen müssen

 

Wären die Umstände anders gewesen, hätte das Leben von Peter R. Geiser damals eine komplett andere Richtung einschlagen können. Stattdessen blieb der Langenthaler 34 Jahre lang bei der Ernst Geiser Landesprodukte AG, bei deren Tochtergesellschaften sowie auch bei der späteren Geiser Agro.com in führender Position tätig. Er tat dies in dritter Generation. Eine vierte war nicht in Aussicht. Peter R. Geiser und seine Ehefrau Gaby haben keine Nachkommen. Aus diesem Grund – sowie aufgrund anderer Umstände – kam es 2004 zum Management-Buy-out: Der damals 59-jährige Firmeninhaber verkaufte die Geiser Agro.com an drei führende Mitarbeitende.

 

Die anderen Umstände? Gemeint ist damit ein Stück Langenthaler Wirtschaftsgeschichte, das durchaus in einem grösseren Drama hätte enden können. Peter R. Geiser sah sich nämlich kurz nach der Jahrtausendwende dazu gezwungen, bei der Pommes-frites-Produzentin Kadi eine führende Rolle zu übernehmen. Die Kadi war damals finanziell gesehen in einer äusserst prekären Situation. Zuerst als Verwaltungsratspräsident, später sogar als CEO, musste Peter R. Geiser mithelfen, die Kadi – um es salopp zu sagen – wieder aus dem Dreck zu ziehen. Diese Rettungsaktion war dem Geiser-Nachkommen deshalb ein grosses Anliegen, weil sein Vater einst Mitgründer der Kartoffelflockenfabrik gewesen war. Aus dieser ging später die Kadi AG hervor. Dementsprechend war die Familie Geiser auch stets an der Langenthaler Kartoffelverarbeiterin mitbeteiligt. Zur Zeit der Rettungsaktion vereinte Peter R. Geiser sogar das komplette Aktienpaket der Kadi auf sich selbst. Seine damaligen Überlegungen waren: «Wenn ich die Firma schon aus dem Kakao ziehe, dann mache ich es richtig, und zwar mit kompletter Verantwortungsübernahme.»

 

Wie wir wissen, gelang es Peter R. Geiser und seinen damaligen Mitstreitern, die Kadi so richtig auf Vordermann zu bringen. Die Firma ist aktuell wieder sehr erfolgreich unterwegs. Bis 2008 war er noch als Präsident im Verwaltungsrat tätig, dann stieg er aus dem Unternehmen aus und verkaufte seine Firmenanteile vollumfänglich.

 

Geschäftlich unterwegs im Ausland

 

In beruflicher Hinsicht war der Unternehmer allerdings nicht nur in Langenthal tätig. Zu seinen Geiser-Agro.com-Zeiten war er oft auch in London unterwegs, wo die Holding dank einer lokal ansässigen Handelsfirma einen Ableger hatte. «Eine Zeit lang hatte ich damals ernsthaft die Absicht, meinen Wohnsitz dauerhaft nach London zu verlegen», verrät Peter R. Geiser. Dazu gekommen ist es jedoch nicht: «Ich musste mit der Zeit erkennen, dass das Grossstadtleben wohl doch nicht so meins ist.» Eine gewisse «Liebe zu London», wie er es heute nennt, ist allerdings geblieben: Peter R. Geiser besitzt im Zentrum der englischen Hauptstadt nach wie vor zwei Wohnungen. Eine davon wird inzwischen als Ferienwohnung vermietet. «Die andere nutze ich für mich selbst, wenn ich mal nach London reise», so der 78-Jährige. Dies komme heute im Gegensatz zu früher jedoch nur noch selten vor.

 

Andere Herzenswege

 

Seine Zeit in London überschnitt sich mit einer Phase seines Lebens, in der Peter R. Geiser durchaus auch mal andere Herzenswege beschritt, und zwar in privater Hinsicht. Es ist kein Geheimnis, dass der Langenthaler Unternehmer während mehrerer Jahre einen Lebenspartner hatte. «The Pavilion» im Allmen-Quartier fungierte ab 2007, nach dessen Fertigstellung, als Wohndomizil für die beiden. Heute lebt Peter R. Geiser allerdings alleine in dem lichtdurchfluteten Haus am Tulpenweg. Seine Ehefrau Gaby wohnt direkt nebenan in einer separaten Liegenschaft. Die beiden pflegen heute erneut eine sehr freundschaftliche, fürsorgliche Beziehung miteinander. Vieles unternehmen sie wieder zusammen, etwa die gemeinsamen Spaziergänge mit ihrem Hund, der eine «sehr, sehr wichtige Stellung» einnehme. Das 10-jährige Tier sei definitiv zu einem Mitglied der Familie geworden, sagt Peter R. Geiser. Relativ oft sieht man das Paar auch in ausgewählten Langenthaler Restaurants, beispielsweise zur Mittagszeit im à la cArte.

 

Ein gemeinsames Engagement ist die Stiftung «HOPE». Mit dieser Stiftung fördern die beiden Bestrebungen in den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Soziales, Kunst und Kultur sowie Natur und Umwelt. Peter R. Geiser ist darüber hinaus nach wie vor Stiftungsrat in Andreas Caminadas Fundaziun Uccelin, eine Stiftung, die gastronomische Nachwuchstalente fördert.

Ein anderes langjähriges Mandat war seine Tätigkeit als VR-Präsident beim Hotel Bären. In dieser Funktion erlebte Kulinarik-Liebhaber Geiser den Langenthaler Bären, als dieser noch so richtig florierte.

 

Geschäftliche Verpflichtungen hat er heute indessen keine mehr. «Ich bin überall draussen», schmunzelt er. «Es ist ein einfacheres Leben, das ich heute führe, aber für mich stimmt es so.» Ob Geschirrspülmaschine ausräumen oder Wäsche aufhängen – Peter R. Geiser erledigt diese und andere Haushaltstätigkeiten gerne selbständig. Heute spielt er – nachdem er die passenden Hörhilfen gefunden hat – auch wieder sehr gerne Klavier. «Meine Hörbehinderung schränkt mich manchmal ein», gibt der 78-Jährige zu verstehen. Davon abgesehen erfreue er sich aber einer guten Gesundheit. Die regelmässigen Spaziergänge sowie eine wöchentliche Yoga-Einheit, die er eisern durchzieht, tragen bestimmt einiges dazu bei.

 

«Bergluft tut uns gut»

 

Leidenschaftlich gerne unternehmen die beiden nach wie vor kurze (Kultur-)Reisen in grössere europäische Städte oder ins Tessin. Ebenso hoch im Kurs steht unverändert die Ferienwohnung in Crans-Montana, die sich bereits seit 40 Jahren im Besitz der Familie befindet.

«Die Bergluft tut uns gut», sagt Peter R. Geiser, und blickt, während er es ausspricht, kaum wahrnehmbar auf seine einfache, aber stilvolle Armbanduhr. Er müsse in ein paar Augenblicken noch ein Haus weiter, gibt er seinem Gesprächspartner zu verstehen. «Apéro bei Freunden», entschuldigt er sich, und begleitet seinen Besuch wieder zur Tür, wo er den Journalisten aus der Parallelwelt wieder in die «normale» Langenthaler Einfamilienhaus-Umgebung entlässt.

 

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