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Der «Bsetzistei» mit dem Geheimnis

Im Kopfsteinpflaster vor dem Choufhüsi tanzt ein weisser Stein aus der Reihe. Um ihn rankt sich eine Geschichte, die während der Märitgassumgestaltung gar um ein Kapitel reicher wurde.

 

Dieser Artikel erschien am 9. September 2014 im BZ Langenthaler Tagblatt. Für diesen Blog wurde der Text unverändert übernommen. Autor: Patrick Jordi.

 

Unscheinbar liegt er da. Und doch hat sich schon der eine oder andere Langenthaler gefragt: Was macht dieser weisse Stein inmitten der Pflästerung vor dem Choufhüsi? Wie ein normaler «Bsetzistei» sieht er nämlich nicht aus: Zu gross, zu andersfarbig, zu uneben ist der Klotz. Für sein Dasein muss es also irgendeine Erklärung geben. Zumal der Stein ja nicht erst seit der nun abgeschlossenen Sanierung sein Plätzchen im Märitgasspflaster hat. Gewiefte Langenthaler erinnern sich: Der Stein war schon vor dem Baustart da. Seit 2008, um genau zu sein.

 

Eine Räubergeschichte

 

Licht ins Dunkel bringen kann Langenthals jungliberale Gemeinderätin Christine D’Ingiandi-Bobst. Sie weiss: Der Stein war Teil eines PR-Gags während der Gemeinderatswahlen 2008. Damals brachen jungliberale Wahlkampfhelfer in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vier graue «Bsetzisteine» aus der Marktgasse heraus. In die Lücke pflasterten sie den weissen Stein. «Wir wollten unserer Wahlkampagne zusätzlichen Schub verleihen», begründet D’Ingiandi den politisch motivierten, aufsehenerregenden Nachteinsatz von damals.

Dass der eingesetzte Stein im Übrigen kein gewöhnlicher ist, versteht sich fast schon von selbst. «Die Oberfläche ist das Abbild eines weiblichen Bauches, das Loch in der Mitte ist der Bauchnabel», führt die Gemeinderätin aus. «Eine Frau aus unseren Reihen stand Modell für einen Gipsabdruck. Der diente einem Künstler aus der Region schliesslich als Werkvorlage.»

Auf diese Weise sei aus einem gewöhnlichen Marmorstein aus der Toskana der Abdruck eines Bauches auf dem Pflaster der Märitgasse geworden.

D’Ingiandi erinnert sich weiter: «Es sollte nicht bloss ein blöder Streich sein. Wir wollten etwas aussagen über die Stadt, in der wir leben.» Der Abdruck des Bauchnabels sei deshalb ein Statement: «Langenthal ist der Nabel der Schweiz».

Über die Identität des weiblichen Modells und des Künstlers wurde indessen Stillschweigen vereinbart.

 

D’Ingiandis Schreckmoment

 

So weit also die Vorgeschichte zum weissen Stein vor dem Choufhüsi. Nach den Wahlen von 2008 geriet er zunehmend in Vergessenheit, wurde eigentlich gar nicht mehr richtig beachtet. Bis vor anderthalb Jahren, als D’Ingiandi einen Schreckmoment erlebte. Damals, als in der oberen Marktgasse die Baumaschinen auffuhren und Arbeiter das Kopfsteinpflaster aufbrachen, erinnerte sich die jungliberale Gemeinderätin urplötzlich an den Stein. «Mein damaliger Gedanke: ‹Wir müssen unseren Bauchnabel retten!›» D’Ingiandi setzte alle Hebel in Bewegung, telefonierte mit dem Stadtbauamt, zuletzt gar mit Stadtpräsident Thomas Rufener. Der verwies sie an Projektleiter und Ingenieur Peter Siegrist. Bange Augenblicke für die Politikerin: War der Marmorklotz noch zu retten?

Zum Glück! «Peter Siegrist war damals so umsichtig und hat unseren Stein rechtzeitig beiseite geschafft», erinnert sich eine noch heute dankbare D’Ingiandi. «Zu unserem Glück dachte Siegrist, es sei ein Kunstwerk.»

So kam es, dass der Stein mit der spannenden Geschichte nun auch das Bild der umgestalteten oberen Märitgasse zieren darf. «Die Stadt und der Projektleiter willigten sofort ein, als wir darum baten, den Stein wieder einsetzen zu dürfen.»

 

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